Hirschbichler zum Abschied als Obmann: „An einem Strang ziehen“
Der ehemalige Eilte-Referee Bernd Hirschbichler war bis Sommer 2024 als Obmann des Salzburger Schiedsrichterkollegiums tätig. Im ausführlichen Interview berichtet der Salzburger von seinen Erfahrungen und den umgesetzten Projekten. Zudem verrät er, welche Tipps er seinem Nachfolger mitgeben möchte und blickt in seine Zukunft im Schiedsrichterwesen.
Wie geht es dir und wie fühlt es sich an, nun wieder etwas mehr Freizeit zu haben?
Hirschbichler: Danke, mir geht es gut. Es fühlt sich richtig gut an, wieder ein bisschen mehr Freizeit zu haben, weniger Telefonate zu führen, weniger E-Mails zu schreiben und nicht mehr den Druck zu haben, immer und überall sofort antworten zu müssen. Am 1. Juli 2024 wurde die Obmannschaft in Salzburg an ein kompetentes Team übergeben, was mich mit einem guten Gefühl zurücklässt.
Du hast dem Salzburger Schiedsrichterkollegium viereinhalb Jahre als Obmann gedient. Wie lautet mit etwas Abstand nun dein Resümee?
Mein Resümee ist definitiv positiv. Wir haben mit Beginn der Coronakrise gestartet. Das heißt, meine ersten Agenden waren eigentlich, das Schiri-Kollegium über Corona und diese Krise zu hieven. Wir haben einige Schiedsrichter:innen verloren und die Hauptaufgabe gehabt, die bestehenden bei Laune zu halten, damit sie dem Fußball verbunden bleiben. Mittels Online-Schulungen haben wir versucht, unsere Schiedsrichter:innen wieder in den normalen Spielbetrieb zu integrieren, nachdem im Amateurbereich alles abgedreht wurde. Rückblickend würde ich behaupten, dass wir die Krise ganz gut gemeistert haben.
Danach konnten wir einige tolle Projekte umsetzen – unter anderem, dass wir der erste Landesverband in Österreich waren, welcher die Schiedsrichterausbildung ausschließlich online durchführt. Lediglich der Abschlusstest findet am Ende vor Ort statt. Dies hat es uns ermöglicht, wieder mehr Schiedsrichter:innen zu gewinnen. Darüber hinaus haben wir eine neue Homepage kreiert und mit der Präsenz auf Facebook, Instagram und TikTok einen professionelleren Außenauftritt geschaffen. Im Elitebereich konnten wir die Zahl der Salzburger erhöhen. All diese Dinge machen mich rückblickend stolz.
Werfen wir einen Blick auf die Gewinnung neuer Schiedsrichter:innen. Welche Akzente konntest du hier mit deinem Team setzen und auf welche Herausforderungen seid ihr dabei gestoßen?
Wir haben ein Nachwuchsreferententeam aufgebaut und die Ausbildung vorrangig in den Online-Bereich verlegt. Dafür wurde einerseits der ganze Kurs verfilmt und andererseits wurden Tutorenzeiten eingeführt. Das heißt, mittels E-Learning haben die Kursteilnehmer:innen zu einzelnen Modulen noch rückfragen können, wodurch sich diese Weg und Zeit sparen. Zudem ist diese Hürde, einen Kurs aufgrund von privaten Verpflichtungen nicht zu besuchen, gefallen. Im Anschluss an die abgelegte Prüfung haben wir auf Regionaliät gesetzt, indem die Abschlussgespräche in den Schiedsrichtergruppen selbst durchgeführt worden sind, was problemlos funktioniert hat.
Die einzige, anfängliche Herausforderung war es, eine Entscheidung über eine mögliche Lernplattform zu treffen. Hier haben wir uns darauf verständigt, ohne Lernplattform zu arbeiten und sämtliche Informationen und Dateien via Link auszuschicken, da die Lernplattformen teilweise kostenintensiv sind und nicht so viel Flexibilität mit sich bringen. Zudem hatten Kursteilnehmer:innen vereinzelt bislang keine Berührungspunkte mit solchen Plattformen, wodurch diese den Umgang damit erst erlernen müssten.
Gerade im Breitensport erkennt man immer öfter, dass der Respekt gegenüber Schiedsrichter:innen abnimmt. Welche Erkenntnisse hast du in diesem Zusammenhang in Salzburg und über die Landesgrenzen hinaus gewonnen?
Leider muss ich zustimmen, dass der Respekt gegenüber Schiedsrichter:innen ein wenig abgenommen hat. In Salzburg haben wir einerseits probiert, intensiv mit diversen Medien zusammenzuarbeiten. Dadurch haben wir ein sehr gutes Verhältnis zu regionalen Zeitungen und Online-Medien geschaffen. Das war und ist mir immer immens wichtig, deswegen habe ich meinem Nachfolger auch mitgegeben, dass er diese Verhältnisse unbedingt pflegen soll.
Darüber hinaus haben wir versucht, von den Vereinen und Sportler:innen anerkannt zu werden. Das hat mein Vorgänger, Norbert Schwab, bereits gestartet und wir haben das fortgesetzt. In Gesprächen mit Vereinen wollten wir vermitteln, dass Schiedsrichter:innen nicht als Chef:innen dargestellt werden sollen, sondern dass man diese als eine:n von vielen Sportler:innen sieht, welche die Aufgabe haben, Entscheidungen zu treffen, wie auch ein:e Stürmer:in Tore schießen muss.
Ein nächster Schritt wäre nun, mit Kampagnen und gemeinsamen Aktionen weitere Akzente zu setzen. Dass der Captains-Talk gekommen ist, ist in meinen Augen ein toller erster Schritt, mit dem man sich ein bisschen mehr Respekt verschaffen kann. Wir haben immer versucht, Dienstleister:innen für die Vereine zu sein. Ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen.
Welche Schritte würdest du in diesem Bereich setzen, um den Respekt zu steigern?
Den Respekt zu steigern, ist ein schwieriges Unterfangen. Ich glaube, man muss sich den Respekt einerseits erarbeiten, andererseits müssen die Vereine
auch die Wertschätzung sehen. Es war bei uns so, dass einige Spiele in den letzten Jahren aufgrund des Schiedsrichtermangels nicht besetzt werden konnten. Da ist der Respekt gegenüber unserer Tätigkeit automatisch gestiegen, weil die Vereine wieder froh waren, wenn ein:e Schiedsrichter:in da war.
Wichtig wären Akzente im Nachwuchsbereich – speziell bei den Eltern, aber auch bei Trainer:innen. In meinen Augen sind da auch die Vereine gefragt, rigoros zu agieren. Wenn es zu einem Fehlverhalten kommt, dann sollten die Vereine intern Schritte setzen. Ich würde von Verbandsseite nicht immer mit Anzeigen drohen. Ein Idee wäre es, Trainer:innen nicht zu strafen, sondern diese dazu zu verpflichten, fünf Spiele im Nachwuchsbereich als Schiedsrichter:in zu leiten. Dann würden sie sich den Respekt selbst erarbeiten müssen.
Als Obmann ist es von hoher Bedeutung, sowohl für die Elite als auch für die Breite da zu sein und sie zu besuchen. Wie hast du beide Parts unter einen Hut gebracht?
Nachdem ich Teil der Elite sein durfte und Salzburger Elite-Schiedsrichter wie Sebastian Gishamer und Christopher Jäger teilweise meine Assistenten waren, haben wir immer ein sehr gutes Verhältnis gepflegt und tun dies auch weiterhin. Der Austausch war immer intensiv. Die Elite-Schiedsrichter haben mir ihre Beobachtungsberichte geschickt, damit ich hier immer up to date bin. Zudem haben wir regelmäßig kommuniziert, natürlich mit dem einen mehr, mit dem anderen weniger, aber ich habe da versucht mit der Elite in Kontakt zu bleiben, zu telefonieren und zu schauen, was ist bei ihnen los, ob sie etwas brauchen und ob es ihnen gut geht. Wir sind in Salzburg verwöhnt, wir haben einen tollen Trainingsstützpunkt für die Elite und den Talentekader. Im Amateurbereich ist es sogar ein bisschen schwieriger, weil hier die Quantität wesentlich höher ist. Wir haben Gruppensprecher:innen installiert, um speziell im Bereich Salzburg-Stadt Themen aus der Gruppe in den Ausschuss zu bekommen. Du wirst es als Obmann nicht schaffen, immer für 150 bis 200 Schiedsrichter:innen erreichbar zu sein, das macht auch keinen Sinn, stattdessen sollte man kanalisieren und Vertrauenspersonen auswählen, die in der Gruppe arbeiten und die Kommunikation mit dem Obmann und seinem Team übernehmen. Als Obmann ist es aber auch wichtig, immer wieder bei Regelschulungen vorbeizuschauen. Ebenso lag es mir am Herzen, im eigenen Landesverband als Beobachter zu agieren. Zu Beginn meiner Tätigkeit war ich noch als Schiedsrichter tätig, später dann als Beobachter, damit ich an der Basis bleibe und auch Themen der Basis mitbekomme.
Wie gut sind die Landesverbände deiner Erfahrung nach in den ÖFB integriert?
Wie gut die Landesverbände in den ÖFB integriert sind, ist schwierig zu sagen. Mit der neuen Struktur, die unser Kommissionsvorsitzender Günther Benkö gemeinsam mit Ali Hofmann, Leiter Schiedsrichterwesen, erstellt hat, funktioniert es besser, dass die Landesverbände gehört werden. Mit dem neu formierten Team funktioniert die Integrierung besser. Es ist wichtig, dass die Landesverbände wissen, wer für sie zuständig ist.
Zu jener Zeit, als ich begonnen habe, habe ich zwar die amtierenden Personen gekannt, war aber der Meinung, dass diese immer nur für den Elitebereich zuständig sind, weil sie Doppelfunktionen hatten. Die Trennung zwischen Elite- und Amateurbereich war ein wichtiger Schritt, denn nun weiß jeder, wer der Ansprechpartner ist. Und eines ist ganz klar: Nur wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, werden wir als ÖFB zusammen mit unseren neun Landesverbänden gute Ergebnisse erzielen – egal, ob das in der Schiedsrichtergewinnung oder in der Schiedsrichterentwicklung ist.
Wie wird deine Zukunft im Schiedsrichterwesen aussehen?
Meine Zukunft im Schiedsrichterwesen schaut aktuell so aus, dass ich Teil der ÖFB-Schiedsrichterkommission bin und auch bleiben werde. Ich habe im Bereich Talentekader gemeinsam mit Thomas Prammer meinen Part nach wie vor inne. Das macht mir enorm viel Spaß.
Wir sind in enger Abstimmung mit unserem Technical Director Viktor Kassai und haben durchaus weiteres Potenzial. Mir ist wichtig, dass die Projekte, die wir aktuell am Laufen haben – also das Fußball Österreich-Projekt und die Weiterentwicklung im Administrationsbereich – gut abschließen. Da ist sehr viel Vorarbeit geleistet worden. Das sind meine Schritte in den nächsten Wochen und Monaten.
Mit Markus Tiefgraber hat dich ein junger Kollege beerbt. Welchen Tipp möchtest du deinem Nachfolger mit auf die Reise als SFV-Obmann geben?
Ich bin überzeugt, dass Markus die Chance verdient hat und dass der junge Kollege seinen Weg gehen wird. Wir haben davor bereits viereinhalb Jahre zusammengearbeitet. Markus war Regelreferent in meinem Ausschuss, da konnte ich ihm schon einige Tipps mitgeben. Wir sind weiterhin in einem intensiven Austausch. Bei der Übergabe, die in meinen Augen sehr harmonisch war, habe ich ihm angeboten, dass er mich jederzeit kontaktieren kann, wenn Fragen auftauchen. Ich habe immer klar kommuniziert, dass ich meine Tätigkeit beende, da gab es keine Kampfabstimmung oder keinen Rauswurf.
Nun ist das Wichtigste für Markus, dass er sich einarbeitet, sein Team findet und dieses gut führt und leitet. So kann ihm sein Team wiederum den Rücken in den diversen Bereichen freihalten. Man glaubt gar nicht, welche Aufgaben für einen Obmann und sein Team anstehen, wie vielfältig diese sind und wie viel Zeit die Tätigkeit in Anspruch nimmt. Ein guter Tipp am Ende ist es vielleicht, an der Basis zu bleiben, bodenständig zu agieren und für die Sache und das Schiedsrichterwesen da zu sein.
Quelle: ÖFB